Geschichte

Das Turnen erreicht Bonlanden 1895

Unter dem Motto der bürgerlichen Turnbewegung „frisch, fromm, fröhlich, frei“ gründete am 4. August 1895 im Gasthaus Hirsch in der heutigen Bonländer Hauptstraße (Vorläufer Metzgerei Thumm) eine Gruppe junger Männer einen ersten Turnverein, den

Turnverein Bonlanden. Die Aufnahmegebühr betrug 1 Reichsmark. Zusätzlich mussten Erwachsene noch monatlich einen Beitrag von 20 Pfennig und die Zöglinge von 15 Pfennigen leisten, was ungefähr dem damaligen Stundenlohn entsprach. Geturnt wurde zunächst im ´Ochsengarten´, nach dem Turnen vergnügte man sich im dazugehörigen Wirtshaus um seinen Durst zu löschen. Das turnerische Geschehen wurde von Kirchenvertretern schon ein paar Jahre nach der Vereinsgründung als anstößig empfunden. Als einen „Wolf in Schafskleidern“ bezeichnete der Dekan im Pfarrbericht von 1900 den Turnverein.

Der Turnverein Bonlanden gehörte dem „Filderturngau Jahn“ an. Er beteiligte sich rege an den Sitzungen des Gaus (Bezirk) und nahm an den Gauturnfesten teil. Robert Ocker wurde 1907 zum Gauschriftführer gewählt und Fr. Kudel im gleichen Jahr Zweiter Gauvorstand. Über die Jahrzehnte hinweg wurde nicht nur geturnt, sondern zahlreiche Feste gefeiert, darunter Familienfeste, Fastnachtsveranstaltungen, Maifeiern, Waldfeste, Gartenfeste, Herbstfeiern und die Weihnachtsfeiern durften nicht fehlen. 1904 wurde bei der Weihnachtsfeier das Theaterstück „Soldatenleben“ und „Abendstunde in der Kaserne“ aufgeführt, Stücke, die man sicherlich heute nicht mehr wählen würde. Natürlich gehörten auch Veranstaltungen im „Wett oder Preisturnen“ zum Jahresablauf und man beteiligte sich bei Gau- und später Bezirksturnfesten. Bei allen Veranstaltungen war immer auch für das

leibliche Wohl gesorgt.

Vom bürgerlichen zum Arbeiterturnen

Die Gründung der Turn- und Sportvereine auf den Fildern fällt in eine Zeit, in der sich das Gedankengut der Arbeiterturnbewegung immer mehr verbreitete. Das Ziel dieser internationalen Bewegung lag weniger in der Steigerung der körperlichen Leistungen. Ihre Anhänger betonten besonders die geistige und körperliche Erziehung im kulturellen Kontext sowie das Solidaritätsgefühl der Proletarier und Proletarierinnen. Auch der damalige Bonländer Turnverein gehörte ab 1912, wohl durch die rasche Zunahme des Arbeiteranteils an der Bevölkerung des Ortes, dieser Bewegung an. In Bonlanden wurde die

Arbeiterturnbewegung allerdings schon vor dem Beitritt zum ATB von traditionellen Kräften misstrauisch beobachtet. So kritisierte die Kirche: „Die Arbeiter freilich sind, soweit sie in dem Arbeiterturnverein gesammelt sind, für die kirchliche Arbeit so gut als unzugänglich.“ Einen ersten Hinweis, dass die Turner sich dem ATB nahe verstanden war schon in der Einladung zum 1. Stiftungsfest der Freien Turnerschaft Bonlanden 1910 zu sehen, da die Einladung an die „Turngenossen“ (anstatt Turnbrüder) adressiert war. Allerdings findet man auch die 4F, das Symbol der bürgerlichen Turner, auf der Einladung. Verwunderlich ist auch

der Name Freie Turnerschaft und nicht mehr Turnverein Bonlanden. 1913 lud dann wiederum der Turnverein Bonlanden

(nun Mitglied des Arbeiterturnerbundes) zu einem Gartenfest ein. Die Namensgebung war also über ein paar Jahre hinweg verwirrend und die Symbolik nicht immer passend. Mit dem Beitritt zu den Arbeiterturnern verließ man den Filderturngau „Jahn“. Auch in den Nachbargemeinden Plattenhardt, Sielmingen und Harthausen vollzog sich dieser Wechsel. Doch gab es auch noch in den umliegenden Orten Vereine, die der bürgerlichen Deutschen Turnerschaft (DT) angehörten. „Heraus aus euren bürgerlichen Sport- und Spielverbänden und geht dahin, wo ihr von rechtswegen hingehört, schließt Euch dem

Arbeiterturnerbund an“. „Frei Heil“, war der Aufruf an die Mitglieder der Vereine in den Nachbargemeinden am Ende der Generalversammlung des Turnverein Bonlanden. Anstatt des bürgerlichen Turngrußes „Gut Heil“ war nun ein „Frei Heil“ auf Einladungen, Ankündigungen und Veröffentlichungen etc. zu lesen. Im Verein gab es aber nicht nur Turner, sondern auch

Schwerathleten und Leichtathleten. Unter Schwerathletik würde man heute Kraftsport verstehen.

Teilnahme an der Arbeiterolympiade

Während der ersten Jahrzehnte seiner Existenz hat sich der Arbeiterturn- und Sportbewegung angehörige Bonländer Turnverein auch an Aktivitäten derselbigen beteiligt. Das wohl größte Ereignis war die Teilnahme an der ersten Arbeiterolympiade, die

in Frankfurt am Main vom 24.–28. Juli 1925 vom Internationalen Arbeiterverband für Sport und Kultur, der Zentral-Kommission für Arbeitersport und Körperpflege und den deutschen Arbeitersportverbänden durchgeführt wurde. Allerdings wurde die Beteiligung an diesem internationalen Sportereignis, an dem zwölf Nationen an den Start gingen, nicht im Filderboten erwähnt, so dass hier keine weiteren Informationen über die Bonländer Turner gegeben werden können. Es ist lediglich bekannt, dass Wilhelm Wolfer im 5000m-Lauf eine sehr gute Leistung gezeigt hat.

Diese Form der „Olympischen Spiele“ umfasste Wettkämpfe ohne Medaillen und ohne Nationenwertung. Sie sollte das gestärkte Selbstbewusstsein der Arbeiter gegenüber dem Bürgertum demonstrieren und eine Gegenbewegung zu den bürgerlichen Olympischen Spielen sein, die als „Krieg mit sportlichen Mitteln“ bezeichnet wurden. ´Nationalismus gegen Humanismus´ lautete das Credo. Im Vordergrund an diesem rund 500 Sportler und Sportlerinnen umfassenden Fest, stand die Völkerverständigung und -versöhnung, wie es im Festbuch zu lesen ist. Sicherlich war dies nur ein paar Jahre nach Beendigung des Ersten Weltkrieges auch nötig.

Fußball zieht in Bonlanden ein

In Deutschland hatte sich im ausgehenden 19.Jahrhundert nach und nach neben dem Turnen der aus England kommende Fußball als Volkssport verbreitet. Er war vielen Turnern ein Dorn im Auge und wurde auch als die „Englische Krankheit“,

„Fußlümmelei“ und „Stauchballspiel“ von ihnen bezeichnet. Dennoch konnte die Turnbewegung die Verbreitung dieses populären Sportspiels nicht aufhalten. In Bonlanden war es 1921 soweit, als der Fußballverein 1. F.C. Pfeil gegründet wurde mit

Ernst Brenner als Ersten und Paul Weinmann als Zweiten Vorstand. 1925 zählte der noch junge Verein 54 Mitglieder. 1928 übernahm Karl Böpple den Vorsitz des Vereins. Im Paragraph 1 seiner Satzung heißt es „er hat den Zweck edlen Sport zu

pflegen und sittlich und bildend zu wirken. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist, ebenso wie die Verfolgung politischer Zwecke, von der Tätigkeit des Vereins ausgeschlossen“. Dennoch hat sich auch dieser Verein, wie der Turnverein Bonlanden der deutschen Turn- und Arbeitersportbewegung angegliedert, anstatt dem 1900 gegründeten Deutschen Fußball-Bund (DFB).

Es ist unklar ob es eine weitere Vereinsgründung gab. Denn im Filderbote wird eine Eintragung der Turn- und Spielvereinigung Bonlanden am 22.11.1923 ins Vereinsregister erwähnt. 1924 hat dieser Verein neben dem Turnwart auch einen Sportwart. Handelte es sich hierbei lediglich um eine Umbenennung? Sicher ist jedoch, dass auch der Turnverein in seinen Reihen Fußballer hatte. Bei den Fußballspielen gab es damals wie heute Ausschreitungen. Es liegen Berichte und Aussagen zu einem Spiel von 1935 gegen die Fußballabteilung des Stuttgarter Kraftsportvereins vor, bei dem wohl Bonländer Spieler die Gegner und ihre Fans körperlich angegriffen und beleidigt haben. Die Logos des 1. F.C. Pfeil veränderten sich zwischen 1924 und 1928, wie aus den Stempelabdrücken zu entnehmen ist.

Die Zeit des Nationalsozialismus und der Gleichschaltung

Wie aufgezeigt fühlten sich die Turn- und Sportvereine der Weimarer Republik (1918–1933) verschiedenen politischen Richtungen zugehörig: es gab die eher regierungskonformen bürgerlichen Turnvereine, die SPD nahen Arbeiterturn- und

Sportvereine und die kommunistisch gesinnten Rotsportler bzw. Rote Sporteinheit. All diese Ausrichtungen waren im Sport auf den Fildern und damit auch in Bonlanden zu finden. Zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur wurden sämtliche Sportorganisationen mit all ihren Ausprägungsformen aufgelöst. Die deutsche Turn- und Sportbewegung wurde nach der Machtergreifung Hitlers auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes vom 23. März 1933 gleichgeschaltet und in den Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen eingegliedert. Die Organisation des Sports lag nun in den Händen des

nationalsozialistischen Regimes, das diesen für politische und propagandistische Zwecke missbrauchte. Durch den sogenannten „Arierparagraphen“ wurden jüdische Mitglieder nach und nach aus den Vereinen ausgeschlossen und die Zöglinge fanden sich in der Hitler-Jugend (HJ). Während des Zweiten Weltkrieges kam der deutsche Sport größtenteils zum Erliegen.

Die Akten der Bonländer Turn- und Sportvereine im Landesstaatsarchiv in Ludwigsburg führen detailliert ihre von den neuen Machthabern geforderte Auflösung und Wiedergründung in nun einem Verein unter neuer Leitung auf. Damit unterlag das Vereinsleben der Kontrolle der neuen Machthaber und die ehemals demokratischen Vereinsstrukturen wurden missachtet. Auch sind genaue Angaben zum Vereinseigentum vorzufinden.

Es ging alles Schlag auf Schlag in den Wochen nach Bekanntgabe des Ermächtigungsgesetzes. Dies ist deutlich an der

Auflösung der Turn- und Sportvereine in Bonlanden zu sehen, die genauen Vorgänge und zeitlichen Abläufe sind nicht immer eindeutig aus den Akten ersichtlich. Die Vereinsleitung der Bonländer Arbeiter-Turn- und Sportvereinigung scheint um die Existenz ihres Vereins gebangt zu haben und hatte schon erste Schritte unternommen den Obrigkeiten nicht sofort ins

Auge zu fallen, aber diese wurden noch vor in Krafttreten des Ermächtigungsgesetzes aktiv. Das Württembergische Landjägerkorps (Landespolizei) in seiner Nebenstelle in Plattenhardt stellte im März 1933 fest, dass die 150 mitgliederstarke

Arbeiter-Turnvereinigung Bonlanden aus dem ATBS ausgetreten sei und die Fußballer des Vereins der kommunistischen Roten Sporteinheit angehören würden. Der Vereinsvorstand, Wilhelm Bayer, hatte wohl noch darauf hingewiesen, dass der Verein

einen Antrag zur Aufnahme in den Süddeutschen Fußballbund gestellt habe. Den Vorstandsmitgliedern wurde allerdings nachgesagt, fast ausschließlich KPD Anhänger zu sein. Am 18.3.1933 wurde die Bonländer Turnhalle unter Begleitung von SA und SS versiegelt. Den Schlüssel verwahrte Oberlandjäger Rupp aus Plattenhardt. Einen Tag darauf verfasste der besagte Oberlandjäger ein ausführliches Schreiben an das Württembergische Amtsoberamt über die Bedingungen und beendet es mit den Worten: „In Bonlanden wurde in den letzten Jahren darauf hingearbeitet, alles in kommunistisches Fahrwasser zu bringen. In dieser Ortschaft gehört nach meiner Ansicht mit allen Mitteln durchgegriffen“. So kam es dann am 26. März 1933 zu einer Fusion der Arbeiter-Turn- und Sportvereinigung Bonlanden und des 1. F.C. Pfeil in die Turngemeinde Bonlanden unter der Leitung von Erwin Ocker, Wilhelm Laux und Ernst Brenner als Zweitem Vorstand. Letztere hatten vorher die gleichen Funktionen beim F.C. Pfeil inne, hier waren die letzten Wahlen am 13. Januar 1933 durchgeführt worden. Was die Löschung des F.C. Pfeil aus dem Vereinsregister angeht, so gab es noch über ein Jahr hinweg Probleme, da es keinen satzungsmäßigen

Auflösungsbeschluss des Vereins gab. Auch wurden noch einige Verhandlungen, wie die mit dem Bonländer Ortsvorsteher, Bürgermeister Richard Wolber, mit Vertretern der neuen Turngemeinde (Erwin Ocker, Wilhelm Wolfer, Lehrer Sommer) und des F.C. Pfeil (Karl Böpple, Gottlob Erk, Erich Weinmann, Karl Schweizer) am 26.4.1933 durchgeführt, die noch einmal deutlich die zentral gesteuerte Neuausrichtung der Turngemeinde Bonlanden unterstrich. Der Ortsvorsteher ließ anklingen, dass, „im Geiste

der neuen nationalen Regierung die Folge des deutschen Turnen und Sports als eines Mittels zur körperlichen, geistigen und sittlichen Kräftigung, sowie der Pflege deutschen Volksbewußtseins und vaterländischer Gesinnung unter einheitlicher

geschlossener und starker Führung“ zu besprechen sei. Die Vorgängervereine bezeichnete er als „Zwergvereine“, die ein kümmerliches Dasein unter falscher Führung der Arbeitersportbewegung gelebt hätten. Letztere sei die „Brutstätte allen Haders und Streits“ der Vergangenheit innerhalb der Gemeinde. Die Arbeiterbewegung habe nun keine Daseinsberechtigung mehr. Mit starker und unerbittlicher Strenge habe die Regierung hier aufgeräumt und einen Wandel herbeigeführt. „In richtiger Erkenntnis der ganzen Wandlung und gefolgt von dem glühendem Wunsch, die deutsche Turn- und Sportsache in hiesiger Gemeinde führend in die Hand zu nehmen, kann die Turngemeinde Bonlanden für sich in Anspruch nehmen, als Verein die Grundlage und

der Sammelpunkt sämtlicher Turner und Sportler, die sich endlich frei machen von den Fesseln der Vergangenheit, zu sein, die aber auch gewillt ist, in geeinter und geschlossener Formation dem Morgenrot der wahren Freiheit entgegenzumarschieren.

Der Verein hat damit aber auch die heilige Pflicht, die unaufhaltsame Entwicklung der Einheitsbewegung für die Zukunft mit allen Kräften zu fördern und seine Hand jedem seither falsch geführten Turner und Sportler zu bieten, der die Zeichen der Zeit von Herzen erkannt hat und sich zu eigen machen will, Kleinigkeiten und Streitereien aus der dunklen Vergangenheit müssen erstickt werden.“ Der Bürgermeister wies nochmals darauf hin, dass der Vereinsvorstand „unerbittlich streng und gerecht“

die Führung des Vereins auszuüben habe und dass dies keine leichte Aufgabe sei. In Bezug auf die beiden Vereine meinte er, dass die Vertreter nun als „Männer beraten“ würden und jeder gegenüber seinem Verein „so viel Autorität und Kraft und Führertalent“ besitzen müsse, um die Beschlüsse bei seinem Verein „restlos“ durchzusetzen. Es wurde auch klar, dass Wolber die einstmaligen demokratischen Vereinsversammlungen ein Dorn im Auge waren: „Es muss vorbei sein mit wüsten, lauten und ekligen Generalversammlungen, in welchen Gift streuende Elemente hausten und die Mitglieder durch persönliche Gehässigkeiten gegeneinander aufhetzten“. Es wurden verschiedene Beschlüsse ausgehandelt, auch dass Karl Schweizer den Vorsitz der Turngemeinde Bonlanden übernehmen solle. Hier ein Auszug:

  1. Der F.C Pfeil Bonlanden e.V. beschließt mit sofortiger Wirkung seine Auflösung und erteilt dem seitherigen Vorstand Auftrag und Vollmacht, das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Vereins auf die Fußballabteilung der Turngemeinde Bonlanden zu übertragen. Mit der Übertragung übernimmt jedoch die Turngemeinde keinerlei Haftung für die Erfüllung der Verbindlichkeiten bzw. Schulden des seitherigen F.C. Pfeil.
  2. Die Turngemeinde beschließt, eine Fußballabteilung im Verein anzugliedern.

Im 6. Beschluss hieß es „Die Mitglieder der Fußballabteilung sind verpflichtet, an den Übungsabenden für Leichtathletik teilzunehmen, die nur vom Verein nicht auch innerhalb der Abteilung betrieben werden darf”.

Aus dem Protokoll ist der nationalsozialistische Ton deutlich zu entnehmen. Ebenso in der Satzung der neugegründeten Turngemeinde Bonlanden. Unter §1 „Zweck und Name“ heißt es:

„Der Zweck des Vereins Turngemeinde Bonlanden ist die Förderung des Deutschen Turnen als Mittel zur körperlichen und sittlichen Kräftigung sowie der Pflege eines deutschen Volksbewusstseins und vaterländischer Gesinnung im Sinne des Dritten Reiches. Konfessionelle Bestrebungen sind ausgeschlossen.“

In §9 ist zu lesen, dass der gewählte neue Vorstand zum zuständigen Kreisführer der NSDAP zu bestätigen sei. Bei einer Meinungsverschiedenheit entscheide der Gauführer über den Vorstand. Hier ist eindeutig der Eingriff in vormals demokratische Strukturen zu erkennen. Die Anmeldung ins Vereinsregister geschah knapp ein halbes Jahr später im September 1933 und wurde von Wilhelm Laux beantragt. Es muss also schon rasch einen Wechsel in der Vereinsleitung gegeben haben. Im September 1934 wurde Laux von den Machthabern als Vorsitzender der Turngemeinde bestätigt.

Zudem wurde in den Statuten aufgeführt, dass der Verein der Deutschen Turnerschaft (DT) als Dachverband anzugehören habe. Die DT war der erste „Sportverband“, der nach der Machtübernahme des nationalsozialistischen Regimes der Gleichschaltung zugestimmt hatte. „Schulter an Schulter mit SA und Stahlhelm“ lautete der Ausspruch des DT Vorsitzenden Dr. Edmund Neuendorff. Im April 1933 wurde in Bonlanden dann der ursprüngliche Arbeiterturnverein, dessen Vorsitzender Wilhelm Bayer war, auch offiziell aufgelöst und enteignet. Das gesamte Vermögen wurde beschlagnahmt und der Besitz ging an den neuen Verein. Das Spielfeld der kommunistischen Fußballer wurde schon im März des Jahres im Haberschlai (Haberschlehe) polizeilich gesperrt und geräumt. Die Holzbaracke wurde auf dem Sportplatz In den Rauhen aufgestellt. Der Bonländer Bürgermeister hatte allerdings beim Amtsoberamt in Stuttgart angefragt, ob dieser Platz nicht im Rahmen des von

der Gemeinde eingeführten freiwilligen Arbeitsdienstes für Turnen und Sport genutzt werden dürfe. Eine Zusage kam rasch, mit der Auflage, dass das Bürgermeisteramt kontrollieren müsse, dass der Platz von niemandem Anderen benutzt würde.

Die neuen politischen Machthaber griff en gnadenlos durch: Anfang Mai 1933 wurden in Bonlanden zudem noch der ´Arbeiterradverein Solidarität´ und der ´Arbeitergesangsverein Sängerkranz´ neben weiteren Vereinen aufgelöst. In den Nachbarorten war ähnliches der Fall. In den Unterlagen der Landjäger Bernhausen findet sich eine Liste über die Einziehung von volks- und staatsfeindlichen Vermögen der aufgeführten Vereine. So wurde vom Bonländer Maler Albert Gross eine Schreibmaschine eingezogen mit der er angeblich die Einladungen für die KPD Bonlanden verfasst haben soll. Vom

Bonländer Arbeiter-Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität wurde ein Grundstück in den Unteren Rauhen eingenommen und der Gemeinde nach einer Versteigerung übergeben. Der Radverein hatte im Übrigen noch versucht seine Auflösung zu verhindern. In einem Schreiben des Vorsitzenden Karl Ottmüller im Mai 1933 an den Regierungsrat räumte dieser ein, dass der Verein nie politisch aktiv gewesen sei, sondern es sei immer nur um das Radfahren und Wandern gegangen. Dieser Brief wurde zwar gelesen, aber die Aussage ignoriert. Die Obrigkeiten waren der Meinung, dass die 120 Mitglieder aus KPD- und SPD-Anhängern

zusammengesetzt waren. Obwohl die neuen Machthaber grundsätzlich den Sport förderten, da langfristig durch die körperliche

Ertüchtigung kräftige und fitte Soldaten für ihre kriegerischen Zwecke zur Verfügung stehen würden, hatten dennoch viele Turn- und Sportvereine Probleme ihren Sportbetrieb so aufrechtzuerhalten, wie dies in der Weimarer Republik der Fall gewesen

war. Die Hitler-Jugend entzog den Vereinen den Nachwuchs. Dies war in Bonlanden auch nicht anders. 1937 zählte die Turngemeinde Bonlanden 70 Mitglieder.

Der Zweite Weltkrieg

Der Ausbruch der Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 schränkte das aktive Sporttreiben stark ein. So kam der Sportbetrieb, insbesondere die Leichtathletik und das Turnen, in den nächsten Jahren – wie fast überall – beinahe völlig zum Erliegen. Viele Vereinsmitglieder wurden zur Wehrmacht eingezogen, darunter auch der Vereinsvorstand Ludwig Adam. Damit die Funktionärspositionen von Daheimgebliebenen besetzt waren, wurden bei der Wahl von 1940 all diejenigen, die in den Krieg eingezogen werden sollten, durch andere Personen besetzt. Gottlob Erk und Karl Böpple fungierten als Vorstände während der Kriegsjahre, Gerhard Kurfess war als Schriftführer und Kassierer.

Auch die Maul- die Klauenseuche, die 1939 in Bonlanden ausgebrochen war, hatte weitere Auswirkungen auf den Fußball. 1939 musste Bonlanden aus den Tschammer Pokalspielen ausscheiden, da die Gemeinde zum Sperrgebiet geworden war. Dabei handelt es sich um 1935 eingeführten nationalen Pokalwettbewerb im Fußball, benannt nach dem damaligen Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten.

Die Unterlagen zeigen jedoch, dass 1940 schon wieder eifrig gekickt wurde, trotz des Kriegs. Da die wenigen noch zuhause Gebliebenen nicht ausreichten, suchte man in weiteren Fildergemeinden nach Spielern, um noch eine Fußballmannschaft zusammenzustellen. Aus dem Wettspielbuch der I. Mannschaft in den Spieljahren 1940-42 kann entnommen werden, dass der Fußballbetrieb rege war. In diesem Buch finden sich über 40 Aufzeichnungen zu Spielen samt deren Spielberichte. Das Wettspielbuch dokumentiert auch, dass die Bonländer Mannschaft 1941 an den Spielen um den Tschammer Pokal teilnahmen und sogar bis in die vierte Pokalrunde kam bevor sie nach einer Niederlage gegen den PGV Stuttgart mit 5:0 aus dem Turnier ausschieden.

Was die Spielrunde in der Kreisliga betraf, so war Bonlanden meist an der Tabellenspitze unter den

führenden Mannschaften zu finden. Es soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass diese Spiele zu einer Zeit stattfanden, die durch die Kriegsunruhen geprägt waren. Zudem war Rohstoff knapp, was vor allem auch Textilien und Schuhe betraf. Der Treibstoff war rationiert so dass es nicht einfach war zu den Spielen und zum Training zu gelangen. Anders als in Stuttgart gab

es allerdings auf den Fildern keinen oder kaum Mangel an Nahrungsmittel.

Neubegründung des deutschen Sports und Gründung des heutigen SVB

Am 8. Mai 1945 kam es zur bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und damit zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Bonlanden war in den Wochen vor der Kapitulation schon von den Franzosen besetzt. Genaueres zum Kriegsende in Bonlanden ist aus der Filderstädter Schriftenreihe Bd. 22 zu entnehmen. Später unterstand die Gemeinde der amerikanischen Kontrolle. Mit der politischen Neuordnung Deutschlands wurden auch die Strukturen des Sports neugeordnet. Diese waren zu Beginn in den verschiedenen Besatzungszonen unterschiedlich. Auch auf den Fildern wurde trotz des schlechten Zustandes der Bevölkerung und der zerstörten Sportstätten wieder erste sportliche Wettkämpfe ausgetragen und Turn- und Sportvereine wiederbegründet. Der heutige SV Bonlanden (SVB) konnte schon am 7. September 1945 gegründet werden. Für die Vereinsgründung war es zum Vorteil, dass die Amerikaner die Franzosen als Besatzer abgelöst hatten. Erstere unterstützten die Wiederaufnahme des Sportbetriebs und Vereinsgründungen. In der französischen Zone waren Vereinsgründungen im Allgemeinen erst ab 1949 möglich. Auf Bundesebene dauerte die Neustrukturierung des Sports etwas länger als in den Gemeinden und Ländern. Im Jahr 1950 kam es mit der Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) in Westdeutschland zu einer Vereinheitlichung von Turnen und Sport. Unter seinem Dach waren nun alle Sportfachverbände und damit auch die Vereine organisiert. 2006 verschmolz der DSB zusammen mit dem Nationalen Olympischen Komitee zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Dieser ist die größte zivilgesellschaftliche Gruppierung in Deutschland. Unter dem Dach des DOSB sind rund 81.000 Vereine mit ca. 27 Millionen Mitgliedern organisiert.

In Bonlanden gab es in den Nachkriegsjahren erneute Verhandlungen um das Eigentum des Sportvereins. Der SVB hatte unter seinem Ersten Vorsitzenden Wilhelm Bayer, Rückerstattungsansprüche angemeldet. Bayer war schon bis 1933 Vorsitzender der damaligen Turn- und Sportvereinigung Bonlanden gewesen. In den Archiven findet sich die Akte „Rückerstattungssache

SV Bonlanden gegen die Gemeinde Bonlanden unter Bürgermeister Hofsäss“. Darin wird der SVB offiziell als Nachfolger des vor dem Dritten Reich existierenden Vereins anerkannt. Das bedeutete auch, dass die Sporthalle und ihre Gerätschaften dem SVB zustanden und übergeben werden sollten. Was den Vereinssport in Bonlanden angeht, so sind die Jahrzehnte zwischen 1950 und der Gegenwart nicht wie in der Vorkriegszeit durch die Politik geprägt. Da es, wie schon angeklungen, zu einer Vereinigung von bürgerlichen und Arbeitersport gekommen war. Auch der Fußball spaltete sich nicht mehr ab, sondern blieb dem Verein bis heute als ein wesentlicher Bestandteil des Vereinslebens erhalten.

Nicht zuletzt durch die Erfolge der 1. Herrenmannschaft, die bis in die Oberliga reichten, wurde der SVB über die Ortsgrenzen hinaus ein Begriff. Unter den Spielern hat der SVB große Talente hervorgebracht. Zum Beispiel stammt Herbert Briem, der später in der ersten und zweiten Bundesliga spielte und einige Zeit die Stelle des Sportdirektors beim VfB innehatte, aus dem Bonländer Jugendfußball. Zu erwähnen ist auch Uli Böpple, der es als Spieler bis in die Zweite Bundesliga schaffte und u.a. bei den Stuttgarter Kickers und später beim SSV Ulm spielte. Eine Reihe von Fußballprofis wechselten vom VfB in die

1. Herrenmannschaft des SVB, so Frank Posch (1994/95) und Alexander Blessin (2003-2005), oder von den Stuttgarter Kickers, wie Nico Kemmler (2002-2013) und Ralf Vollmer (1994-96).

Ebenso haben sich die sportlichen Erfolge der Leichtathleten, die zahlreiche Talente darunter der Langstrecken- und Hindernisläufer Kim Bauermeister, der an verschiedenen Europa- und Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta teilnahm beigetragen und die Turner, hier vor allem Jürgen Garziella, der 1982 Deutscher Meister am Reck wurde, anzuführen. Deutschlands beste Trampolinturnerin Leonie Adam startet zwar für MTV Stuttgart, die Wurzeln ihrer sportlichen

Karriere wurden allerdings bei uns im Verein gelegt und haben sie mehrmals zu Weltmeisterschaften und Olympia gebracht. Zudem konnten auch Seniorensportler wie Gottfried Bauermeister (Langstrecken) und Joachim Schwithal-Grimm (Skilanglauf und Rollski) Siege bei den höchsten internationalen Wettkämpfen ihrer Altersklassen erringen.

Die Jahrbücher der fast sieben Jahrzehnte seit der Gründung des heutigen SVB sind neben dem sportlichen Leben in den Abteilungen geprägt von Diskussionen um den Bau eines Sportheims und später dann Renovierungsarbeiten, Probleme um den

Sportplatz, Mitgliederwerbung und ehrenamtliches Engagement. Es sind aber auch Themen wie die Gründung der Sportgemeinschaft Filderstadt (SpoGe) im Jahr 1992, Kooperation mit der Seefälle Schule und Kindergärten neben vielen weiteren, bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel. Der SVB kooperiert nicht nur durch die SpoGe mit anderen

Filderstädter Sportvereinen, sondern auch in einzelnen Sportarten, wie zum Beispiel im Turnen mit dem TSV Sielmingen oder der LG Filder in der Leichtathletik.

2018 verfasste der SVB ein Leitbild, in dem er seine pädagogische Verantwortung in der Arbeit mit Menschen jeden Alters hervorhebt und er ausdrückt ein weltoffener Verein zu sein, in dem Ausgrenzungen jeglicher Art keinen Platz haben. Dieses Leitbild ist am Ende der Festschrift zu finden. Ab den 1950er Jahren kam es dann auch zu einer Erweiterung des sportlichen Angebots durch die Gründung zahlreicher neuer Abteilungen. Die Abteilung Tischtennis war 1957 die erste neue Sportart

nach dem Krieg. Besonders hervorzuheben ist die 1967 offiziell ins Leben gerufene Abteilung Frauengymnastik (heute Fitness). Schon 1955 gab es für fünf Jahre eine sogenannte „Damenriege“. Weitere Abteilungsgründungen waren: Ende der 1960er Jahre

das Kunstturnen, das erfolgreiche Turner auf landes und nationaler Ebene hervorbrachte, 1974 die Abteilung Wandern, 1975 Skiabteilung, 1980 Seniorengymnastik und 1982 Jazzgymnastik. Es gab in den 1980/90er Jahren auch eine Abteilung Jedermannturnen. Einige dieser Abteilungen bestehen heute nicht mehr, wie das Jedermannturnen, Wandern und

Tischtennis. Letztere konnte in ihren Glanzzeiten vier Mannschaften aufweisen und hat sich 2012 nach über 50 Jahren aufgelöst.

So wie manche Abteilungen verschwunden sind, sind auch bestimmte Festivitäten, die früher das Vereinsleben des Gesamtvereins geprägt haben verschwunden. Heute gibt es abgesehen von der „Jahresturnfeier“ kaum mehr Veranstaltungen, die über die Abteilungen hinaus den gesamten Verein betreff en. Früher waren der Tanz in den Mai, die Faschingsdisko für Jugendliche in der Uhlberghalle und vor allem der jährlich durchgeführte Sportlerball ein gesellschaftliches Muss in Bonlanden.

Auch gab es das ein oder andere Frauenfußballspiel, zwar nur als Einlage bzw. zur Unterhaltung, aber trainiert wurde im Vorfeld doch. Dabei spielen die Frauen der Skiabteilung gegen die Partnerinnen und Ehefrauen der Fußballer.

Groß gefeiert wurde das 100-jährige Jubiläum. Es gab einen Festumzug durch Bonlanden, eine große Gala unter dem Motto „Dschungelbuch“, das von allen Abteilungen umgesetzt wurde und viele weitere Jubiläumsveranstaltungen.

Ob der SVB eine solche Feierlichkeit im Jubiläumsjahr zum 125-jährigen Bestehen durchführen kann, steht noch in den Sternen. Die Corona-Krise schränkt das öff entliche Leben ein. Dies ist die Chance für die Vereine wieder zu ihren ursprünglichen Werten

zurückzukehren, das sind u.a. Gemeinschaft und Solidarität, nicht nur in den einzelnen Abteilungen, sondern im Gesamtverein und darüber hinaus. Dies kann nur von Vereinen geleistet werden, nicht von Volkshochschulen und kommerziellen

Sportanbietern. Dass dies für den SVB keine leeren Worte sind, zeigt sich nicht zuletzt, dass er während der Corona Pandemie nicht nur digitale Sportangebote kreiert, sondern sich über den Sport hinaus gesellschaftspolitischen Themen gewidmet hat, sieht man an seinem Netzwerk „Nachbarschaftshilfe“. Damit will er seinen Mitgliedern und den Bürgerinnen und Bürgern Bonlandens für deren Unterstützung des Vereins während der letzten 125 Jahre etwas zurückgeben und ihnen auch weiterhin ein Zuhause in dieser facettenreichen Sportgemeinschaft bieten.

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