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Kaum einer weiß heute noch, dass der Bonländer Sportverein in der heutigen Plattenhardter Straße (früher Ottenbachstraße) eine eigene Turnhalle stehen hatte, die ein Stück Vereinsgeschichte ist:
Nachdem die Turner vor ihrem Bau nur in Gärten oder leihweise zur Verfügung gestellten Unterkünften geturnt hatten, war aufgrund der steigenden Begeisterung der männlichen Bevölkerung für das Turnen und den Turnverein eine eigene Turnhalle unumgänglich. Für 6500 Reichsmark erwarb der damalige Turnverein ein Gelände und baute 1910 darauf die Halle, die im August des Jahres mit großen Feierlichkeiten eingeweiht wurde.
Die Eigenleistungen und Spenden der zirka 50 Mitglieder reichten nicht aus, um die Summe zu bezahlen. Der Verein musste hierfür einen Kredit aufnehmen. Damals zahlten Gemeinden und Länder noch keine Zuschüsse für Sportstätten.
Dass in der Halle begehrte Turngeräte aufbewahrt wurden, zeigt sich an dem Einbruch im März 1920 bei dem das als „sehr wertvoll“ bezeichnete Übungspferd geklaut wurde.
Im Jahr 1925 wurde die Halle durch einen Anbau vergrößert. Sie war nun 10 Meter lang, 8 Meter breit, 8,9 Meter hoch. Die Brauerei Müller aus Waldenbuch unterstützte den Verein durch die Vergabe einer Hypothek.
Es gab immer wieder Diskussion um die Halle zwischen der Gemeinde Bonlanden und dem im Dritten Reich zwangsweise in „Turngemeinde“ umbenannte Turnverein, der auch die Fußballer des F.C. Pfeil umfasste. Letztendlich konnte der Verein die anfallenden Reparaturkosten für die Halle nicht mehr bezahlen, zudem ist in einem Schreiben von 1936 an die Gemeinde zu lesen, dass die Halle überwiegend von der Hitler-Jugend, SS und von Schulen genutzt wurde. 1937 kam es dann zum Verkauf der Halle unter Druck der Gemeinde Bonlanden für 1200 Reichsmark, der im Januar 1938 im Grundbuch festgehalten wurde. Schon vor dem Kauf hatte die Kommune das Gebäude mitgenutzt. Nun bekam diese günstig eine Versammlungshalle und der Turnverein zahlte mit dem Erlös seine Schulden ab. In den Jahren 1937-39 investierte die Gemeinde Bonlanden rd. 24.000 RM für Erweiterungs- und Erneuerungsarbeiten an der Halle, wie eine Empore, einen Geräteraum, Sitzungsraum Umkleidekabine und sanitäre Anlagen. Zudem wurde die Halle an der Adolf-Hitler-Straße – so hieß die im Zuge der Machtergreifung Hitlers umbenannte Ottenbachstraße – zu einer Festhalle vergrößert.
Die Turnhalle wurde überwiegend durch das Schulturnen belegt, da es als Unterrichtfach von großer Bedeutung war und später während des Nationalsozialismus sogar Hauptfach wurde. Allerdings ging es vielen Lehrern oft weniger um Turnen und Sport an sich als um die Durchführung militärischer Übungen, um die männliche Jugend für den Krieg tauglich zu machen.
Während des Krieges wurden auch Wunschkonzerte in der Halle veranstaltet, um die Bevölkerung bei Laune zu halten. Besonders die Luftwaffensoldaten mit ihrer Musikkapelle trugen viel dazu bei, dass die Konzerte bei der Bevölkerung beliebt waren. Ob, wie es in der Plattenhardter Turnhalle der Fall war, auch Veranstaltungen der NSDAP durchgeführt wurden, ist nicht bekannt.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs marschierten 1945 in Bonlanden die Franzosen ein, die im August von den Amerikanern abgelöst wurden. Auch kamen die ersten Flüchtlinge aus dem Osten nach Bonlanden. 1946 fungierte die Turnhalle als
Verteilungsstelle. Bonländer, die noch freien Wohnraum hatten, nahmen dort die neu angekommenen Familien in Empfang. Viele von den damaligen Flüchtlingen blieben und trugen einen wesentlichen Teil zum gesellschaftlichen Leben in Bonlanden und auch dem SV Bonlanden bei.
Die Turnhalle wurde zum Mittelpunkt des sozialen Lebens in Bonlanden. Den Anfang machte das Wanderkino. Es zeigte in den Anfangsjahren amerikanische Filme in englischer Sprache. Und: Nach dem Krieg wollten die Menschen wieder tanzen. Die erste öffentliche Tanzveranstaltung fand im März 1946 in der Turnhalle statt. Wie alle öffentlichen Veranstaltungen musste auch sie von der damaligen Militärregierung genehmigt werden.
Am 1.10.1949 ging die während des Dritten Reichs ´zwangsenteignete´ Halle im Zuge der Wiedergutmachung ins Eigentum des vier Jahre zuvor neugegründeten SV Bonlanden über. Es gab allerdings viele Diskussion über eine Rückgabe durch die Gemeinde im Gemeinderat, da nicht alle die Auffassung vertraten, dass der Verein zwangsenteignet worden war, sondern damals die freiwillig verkauft habe. Zudem habe die Gemeinde 24.000 DM Instandhaltungskosten gehabt und die „Enteignung“ sei durch den Rechtsvorgänger des heutigen Staates geschehen, so die Argumentation des Gemeinderats. In einem Protokoll des Gemeinderats vom Oktober 1948 ist zu lesen, dass zehn der zwölf Gemeinderatsmitglieder gegen eine Rückgabe der Halle an den Sportverein stimmten.
Das Ganze ging vor das Amtsgericht und ein „Schlichter für Wiedergutmachung“ wurde aktiv. Auch der Verein hielt finanzielle Einbußen entgegen und machte eine Nutzungsentschädigung der Jahre 1933-49 von 23.000 DM geltend. Der Schlichter wies in seinem Gutachten, das zu Gunsten des Vereins ausging, unter anderem daraufhin, dass die Turnhalle in einem „völlig verwahrlosten Zustand“ sei. Die Gemeinde kümmere sich nicht um die notwendige Erhaltung. In der abschließenden Vereinbarung musste der Sportverein zustimmen, seine Halle der Gemeinde für öffentliche Veranstaltungen etc. kostenlos zur Verfügung zu stellen. Der sich in der Halle befindende Flügel sollte dem Verein unentgeltlich zur Benutzung bereitgestellt werden.
Die Turnhalle wurde nun vom SV Bonlanden gut genutzt: Vereinsversammlungen konnten hier wieder abgehalten werden, an den Wochenenden war die Halle bewirtschaftet, und ab den 1950er Jahren wurde wieder kräftig geturnt. Endlich kamen nun
auch die Mädchen und Frauen erstmals in der Vereinsgeschichte zum Zug. Zudem wurde das Kinderturnen, ehemals Zöglingsturnen, wieder eingeführt. Darüber hinaus wurde die Halle für Veranstaltungen der Gemeinde und anderer ortsansässiger Vereine zur Verfügung gestellt.
1963 wurde die Turnhalle erneut an die Gemeinde Bonlanden verkauft und der Vereinssport zog in die 1967 fertiggestellte Uhlberghalle um. Damit war auch das Schicksal der alten Halle, in der sich ein großer Teil des geselligen und sportlichen Lebens der Turngemeinde in den letzten 60 Jahren abgespielt hatte, besiegelt. Sie wurde zum Abriss freigegeben.
1971 war es denn soweit und die Turnhalle wurde abgerissen. Damit gingen ein Stück Vereinsgeschichte und viele Erinnerungen verloren. Heute erinnert nichts mehr an die einstmalige Turnhalle.